Wer in den Urlaub geht, fährt oder fliegt, möchte sich in der Regel nicht mit Nachhaltigkeit beschäftigen oder belehrt werden. Schließlich soll der Urlaub der Entspannung von Körper und Geist dienen und nicht dazu, über die Probleme der Welt nachzudenken. Das Gute ist, dass immer mehr Destinationen auf grünen und nachhaltigen Tourismus setzen. Das bedeutet, dass die Tourismusregionen für sich und ihre Einheimischen in Nachhaltigkeit investieren und der Gast quasi nur profitiert. Wem Nachhaltigkeit also wichtig ist, der sollte im Voraus gut recherchieren und seinen Urlaub dann in vollen Zügen genießen.
Wir stellen einige Regionen vor, in denen Nachhaltigkeit großgeschrieben wird, ohne das Urlaubserlebnis vor Ort zu beeinträchtigen. Im Fokus stehen dabei Bergregionen, denn dort sind die Auswirkungen des Klimawandels oft besonders früh und deutlich zu spüren – etwa durch schmelzende Gletscher oder zunehmende Trockenperioden. Um diese sensiblen Regionen nicht nur für den Tourismus attraktiv zu halten, sondern auch für die Einheimischen lebenswert zu gestalten, entstehen weltweit immer mehr nachhaltige Tourismusprojekte.
Viele dieser Programme wurden von Organisationen wie Green Destinations, WTTC (Tourism for Tomorrow), PATA (Pacific Asia Travel Association) oder der UNWTO (United Nations Tourism) ausgezeichnet. Im Fokus stehen innovative Konzepte wie autofreie Mobilität, Schutzprojekte für Natur und Kultur oder umweltfreundliche Infrastruktur. Diese Zertifizierungen sind ein guter Indikator für die Auswahl eines grünen Reiseziels.
Das Netzwerk Alpine Pearls vereint 18 Orte in den Alpen (aktuell in Deutschland, Österreich, Italien und Slowenien) mit dem Ziel, „sanft-mobilen Urlaub“ zu fördern. In den Mitgliedsregionen gibt es Mobilitätsgarantien für An- und Abreise (Bahn, Shuttle, E-Bikes etc.) und vor Ort emissionsarme Verkehrsmittel. Durch die autofreie Anreise und Kooperation mit ÖPNV und E-Mobilität werden Landschaft und Luftreinheit geschützt. Für sein nachhaltiges Destinationsmanagement wurde Alpine Pearls 2011 vom WTTC mit dem ersten Platz in der Kategorie „Nachhaltige Destinationsentwicklung“ ausgezeichnet.
Ein Beispiel ist der österreichische Ort Werfenweng, der als Vorreiter für sanfte Mobilität im Urlaub gilt. Die Gemeinde bietet Gästen mit der Werfenweng Card zahlreiche kostenlose Angebote, um umweltbewusst unterwegs zu sein – etwa E-Autos, Shuttles oder geführte Wanderbus-Touren. Bereits 50 Prozent des Gemeindegebiets stehen unter Naturschutz, und das gesamte Konzept setzt konsequent auf Elektromobilität und öffentlichen Verkehr. Seit 2010 ist Werfenweng zudem Mitglied im Alpen-Perlen-Netzwerk, das autofreie Ferienorte verbindet. Die sanften Mobilitätsangebote (frei nutzbare Busse, E-Bike-Leihstation, Shuttle zum Bahnhof) reduzieren den Autoverkehr deutlich und fördern den Klima- und Naturschutz.
Beim Global Green Destinations Day 2016 wurde Slowenien als erstes Land weltweit mit dem Titel “Green Country” ausgezeichnet. Dementsprechend gibt es zahlreiche Projekte, die sich für Nachhaltigkeit und Umweltschutz engagieren. Drei unserer liebsten Beispiele seht ihr hier:
Bohinj und Bled zählen zu den Alpine Pearls und setzen somit auf autofreien Transport.
Jeruzalem: Die kleine Weinregion in der hügeligen Prlekija ist bekannt für sanften Fremdenverkehr. Familienbetriebe erhalten historische Weinbauerndörfer, und das innovative „Streuhotel Jeruzalem Slovenija“ verknüpft Ferienhöfe, Gasthäuser und Unterkünfte unter einem Dach. Jeruzalem trägt das Slovenia Green Label (Silber) und wurde 2022 und 2024 in die Green Destinations Top 100 aufgenommen. Die Region betont ortstypische Kultur, lokale Küche und den Erhalt der Landschaft.
Rogla-Pohorje: Das Berg- und Skizentrum in den Pohorje-Bergen setzt auf ganzjährige Nutzung mit MTB-Park, Themenwegen und Rodelbahn. Ein wesentlicher Bestandteil des Projekts ist der kostenlose Pendelbus, der zwischen der Bergstation Rogla und der Taltherme Zreče verkehrt und so den Individualverkehr verringert. Ein Teil der Erlöse aus Skipässen und Liftkarten wird direkt in nachhaltige Infrastruktur und Naturschutzmaßnahmen investiert. Darüber hinaus fördert die Region den Einsatz erneuerbarer Energien, etwa durch Solarenergie auf Liftanlagen und energieeffiziente Beschneiungssysteme. Rogla-Pohorje wurde 2024 für seine nachhaltigen Praktiken in den Green Destinations Top-100 aufgenommen.
Die Gemeinde Kaunertal erhielt 2021 das UNWTO-Zertifikat “Best Tourism Village” (Silber) und zählt damit zu den ersten offiziell als nachhaltiges Bergtourismusziel anerkannten Regionen. Sie ist außerdem eine von derzeit 15 Modellregionen der Clean Alpine Region (CLAR) – einem Projekt des Landes Tirol zur Unterstützung alpiner Destinationen auf dem Weg zu mehr Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung.
Ziele des CLAR-Programms sind emissionsarme Mobilität, ressourcenschonende Energieversorgung, der Schutz von Natur- und Kulturlandschaften sowie die aktive Einbindung der Bevölkerung. Das Kaunertal setzt dabei auf eine Vielzahl konkreter Maßnahmen:
Für die Mühen der Gemeinde erhielt das Kaunertal 2025 außerdem das österreichische Umweltzeichen.
Das Projekt „Bergsteigerdörfer“ zertifiziert kleine alpine Gemeinden mit weniger als 2.500 Einwohnern. Die Initiative wurde 2008 vom Österreichischen Alpenverein ins Leben gerufen und ist mittlerweile ein länderübergreifendes Netzwerk, das sich dem naturnahen und ressourcenschonenden Tourismus im Alpenraum verschrieben hat. Ziel ist es, authentische Bergdörfer zu fördern, die sich durch ihre ursprüngliche Kultur, gelebte Traditionen und eine enge Verbindung zur Natur auszeichnen.
Aktuell (Stand: Juni 2025) gehören 41 Orte und Gemeinden aus vier Ländern zum Netzwerk der Bergsteigerdörfer. Die meisten Bergsteigerdörfer sind in Österreich angesiedelt, wie das Gschnitztal, das Große Walsertal, Steinbach am Attersee oder Zell/Sele. In Deutschland gehören zum Beispiel Ramsau bei Berchtesgaden und Schleching zu den ausgezeichneten Orten.
Zuletzt wurde Baška grapa in Slowenien Teil des Bergsteigerdörfer-Netzes. Das Tal liegt zwischen den Gipfeln des Tolmin-Bohinj-Gebirges und des Cerkljan-Gerbirges. 1970 fand in Baška grapa der erste slowenische Berglauf statt, 2002 folgte dann der erste slowenische Bergmarathon. Gemeinsam mit einzigartigen Bergblumen, Schluchten, Wasserfällen und Bergdörfern, deren Geschichte ins 13. Jahrhundert zurückzuführen ist, passt Baška grapa in allen Kriterien zur Initiative Bergsteigerdörfer. Im Juni und August sollen außerdem das Schweizer Campo Vallemaggia und Lauenen Teil der Initiative werden.
Eine vollständige Karte aller Bergsteigerdörfer findet ihr auf der Homepage der Initiative: www.bergsteigerdoerfer.org
Das Passeiertal in Südtirol wurde 2024 offiziell nach den internationalen Kriterien von Green Destinations und des GSTC (Global Sustainable Tourism Council) als nachhaltig zertifiziert. Damit erfüllt die Region weltweit anerkannte Standards für eine nachhaltige Tourismusentwicklung – darunter Umweltverträglichkeit, soziale Verantwortung, kulturelle Authentizität und wirtschaftliche Nachhaltigkeit.
Das Passeiertal ist außerdem Teil des Südtiroler Nachhaltigkeitsprogramms, das unter anderem vom Land Südtirol, IDM Südtirol und Partnern aus Tourismus, Landwirtschaft und Naturschutz getragen wird. Ziel ist es, alle touristischen Akteure – von Unterkünften über Mobilitätsanbieter bis hin zu Veranstaltern – in einen umfassenden Nachhaltigkeitsprozess einzubinden. Um diese Ziele zu erreichen wurde ein ganzheitlicher Nachhaltigkeitsplan erstellt, der verschiedene Handlungsfelder umfasst.
Zu den konkreten Maßnahmen gehören:
Viele Südtiroler Ortschaften – darunter Moos im Passeiertal, Ratschings, Villnöss, Cogne, Alpe Cimbra und andere – sind zusätzlich Teil der Alpine Pearls. Auch hier geht es um die Stärkung regionaler Identität, umweltfreundliches Reisen und die langfristige Lebensqualität für Gäste und Einheimische.
In den katalanischen Pyrenäen wurde die Region Pallars Jussà 2020 in die internationale Green Destinations Top 100 aufgenommen. Die Auszeichnung würdigt die konsequente Förderung natürlicher, kultureller und gastronomischer Ressourcen. Besonderes Augenmerk liegt auf nachhaltigen Erlebniskonzepten wie Bahnreisen durch die Berglandschaft, ökologisch geführte Wander- und Sternenparks sowie dem Schutz des UNESCO-zertifizierten Geoparks Orígenes, der für seine Fossilienfunde – darunter Dinosaurierspuren – bekannt ist. Zusätzlich setzt die Region auf lokale Bio-Produkte und authentische Angebote, die bewusst mit Naturschutz und Regionalwirtschaft verbunden werden.
Ein Projekt im Hochland der Anden ist Machu Picchu Pueblo in Peru. Die UNESCO-Weltkulturerbestätte wurde 2017 aufgrund zunehmender Umweltbelastung – insbesondere durch Müll – auf die Liste gefährdeter Welterbestätten gesetzt. Das örtliche Inkaterra-Hotel reagierte darauf mit einem innovativen Projekt: In der Gemeinde wurde eine Anlage zur Komprimierung von PET-Kunststoffen errichtet. Täglich werden dort rund 10 Tonnen Plastikmüll gepresst und per Bahn aus dem sensiblen Gebiet abtransportiert. Dieses Engagement wurde im Jahr 2018 mit der Goldenen Palme der peruanischen Tourismusindustrie ausgezeichnet und gilt als Best-Practice-Beispiel für Abfallmanagement im Hochgebirge.
Das Projekt Sustainable Tourism for Livelihood Recovery (STLRP) wurde 2018 vom Nepal Tourism Board gemeinsam mit dem UNDP (Entwicklungsproramm der Vereinten Nationen) ins Leben gerufen. Ziel ist es, den Tourismus nach den Erdbeben nachhaltig und gemeinschaftsorientiert wieder aufzubauen. Insgesamt sind 85 Gemeinden in allen sieben Provinzen Nepals beteiligt. Die Maßnahmen umfassen unter anderem:
Für dieses umfassende Engagement wurde das Projekt 2024 mit dem PATA Gold Award in der Kategorie Community-Based Tourism ausgezeichnet. STLRP gilt heute als Vorzeigemodell dafür, wie nachhaltiger Tourismus in sensiblen Gebirgsregionen wirtschaftliche Chancen schafft und gleichzeitig Kultur und Umwelt schützt.
In Nordamerika verfolgen viele Bergstädte ambitionierte Nachhaltigkeitsziele. Ein Beispiel ist Park City (Utah, USA), ein bekanntes Skigebiet in den Rocky Mountains. Die Region wurde 2025 in die Green Destinations Top 100 aufgenommen, was unter anderem auf das lokale Green Business Programm zurückzuführen ist, das gemeinsam mit der Organisation Recycle Utah ins Leben gerufen wurde. Dieses umfasst ein Sieben-Punkte-Konzept für klimafreundliches Wirtschaften in Tourismusbetrieben, darunter:
Teilnehmende Unternehmen erhalten ein offizielles Zertifikat sowie finanzielle Anreize. Auch die aktive Bürgerbeteiligung – etwa durch lokale Arbeitsgruppen – trägt zur hohen Akzeptanz des Programms bei. Ähnliche Initiativen gibt es in Orten wie Aspen, Breckenridge oder Vail (Colorado), wo mit dem „Destination Stewardship Roadmap“ ein nachhaltiger Entwicklungsplan erstellt wurde.
Wer im Urlaub nicht ständig an Nachhaltigkeit denken möchte, kann dennoch viel bewirken – wenn das Reiseziel die richtigen Weichen stellt. Die zahlreichen Beispiele aus Bergregionen weltweit zeigen, dass nachhaltiger Tourismus kein Kompromiss sein muss, sondern vielmehr ein Gewinn: für Gäste, die intakte Natur und regionale Authentizität erleben möchten, und für die Menschen vor Ort, deren Lebensqualität im Mittelpunkt steht.
Gleichzeitig machen diese Projekte deutlich, dass es nicht bei Einzelinitiativen bleiben darf. Zukunftsorientierte Rahmenwerke wie das Alpenmanifest betonen, dass ökologisch verträglicher, sozial gerechter und wirtschaftlich tragfähiger Bergtourismus systematisch gedacht werden muss – gerade angesichts der Herausforderungen des Klimawandels. Auch beim AlpenKlimaGipfel wurde die Wichtigkeit der internationalen Zusammenarbeit im Bezug auf einen nachhaltigen Tourismus noch einmal betont.
Doch auch Reisende können mit bewussten Entscheidungen etwas beitragen – etwa bei der Wahl des Transportmittels, der Unterkunft oder durch das Unterstützen lokaler Anbieter. Wenn Destinationen und Gäste gemeinsam Verantwortung übernehmen, kann nachhaltiger Tourismus zum neuen Standard werden: für Urlaub, der erholsam ist – und zugleich wirkt.