Früh am Morgen zieht der Nebel langsam aus dem Donautal, das feuchte Gras glänzt noch vom nächtlichen Regen. Die Luft ist angenehm frisch und kühl und eine sanfte Briese weht – ideale Bedingungen für eine Fahrradtour auf der Donaulimes Welterbe-Runde. Entlang der nördlichsten Grenze des Römischen Reiches eröffnen sich Einblicke in Geschichte, Natur und beeindruckende Landschaften.
Für die Donaulimes Welterbe-Runde leihen wir uns beim Fahrradverleih im Riverresort Donauschlinge E-Bikes (45€ für einen Tag). Kaum sind die Sättel eingestellt und die Gangschaltung getestet geht es los: Wir folgen dem Fluss. Die Donaulimes Welterbe-Runde von Passau nach Schlögen und zurück erhielt ihren Namen durch ihre Funktion als nördlichste Grenze des Römischen Reiches. Entlang der Strecke liegen mehrere Ausgrabungsstätten, die vom Alltag und der Baukunst der Römer zeugen. Wir besuchen zwei dieser Ausgrabungsstätten: den Römerpark in Schlögen und den Römerburgus in Oberranna. Beide Stätten gehören seit 2021 zum Donaulimes UNESCO Weltkulturerbe und können kostenlos besucht werden.
Wer möchte, kann alle Informationen zu den Römern in der Region auf den Informationstafeln nachlesen. Alternativ – und dafür entscheiden auch wir uns heute – gibt es die AR-Tour von Severinus von Noricum. Hierzu muss ein QR-Code gescannt werden, der es ermöglicht den Römer sowie eine Idealkonstruktion der Ausgrabungsstätte zu sehen. In Echtzeit kann man beobachten, wie zuerst feine neonblaue Linien die Konturen die ehemaligen Bauten rekonstruieren. Anschließend geht eine Welle durch das Bild, sodass die eben noch dargestellte Ausgrabungsstätte in neuen Farben erblüht und die damalige Landschaft und die Bauten nachbildet. Unterstützt wird die Visualisierung der römischen Bauten durch den virtuellen Reiseführer Severinus, der von den Auseinandersetzungen mit den "Barbaren" jenseits des Donaulimes erzählt.
In Oberranna verabschieden wir uns von Severinus und radeln noch ein kurzes Stück nach Engelhartszell, einem der letzten österreichischen Orte vor der bayerischen Grenze. Kurz vor Engelhartszell entdecken wir ein großes Feld mit pinkem Mohn – ein überraschender Anblick, da die zarten Blüten selten so stürmisches Wetter wie das der letzten Tage überleben. Heute wiegt er sich im starken Wind und bietet eine atemberaubende Kulisse für den im Hintergrund sichtbaren Stift Engelszell.
Das Stift Engelszell in Engelhartszell ist das ehemals einzige Trappistenkloster Österreichs. Ein Trappist lebt noch immer dort und “den geben wir auch nicht her”, so Friedrich Bernhofer, Obmann des Vereines für Kultur & Tourismus. Warum Engelhartszell so an seinem letzten Trappistenbruder hängt? Er ist der Einzige, der den beliebten Stiftlikör herstellt. Friedrich Bernhofer erzählt von der 800-jährigen Tradition des Stifts Engelhartszell, das zunächst als Zisterzienser- und später als Trappistenkloster diente. Man merkt, dass ihm das Kloster und die ganze Donauregion am Herzen liegen.
Das Stift wurde im Laufe der Jahre immer wieder vernachlässigt und musste neu hergerichtet werden. Besonders auffällig ist die Decke: ein heftiger Sturm hatte das Dach zerstört – eine aufwändige Sanierung war die Folge. Die originalen Fresken waren nicht mehr herstellbar, weshalb 1950 ein neuer Künstler (Fritz Fröhlich) beauftragt wurde. Dieser sollte sich an den Farben der Deckenmalerei orientieren, wich in der Darstellung jedoch von den typischen Engeln im Stift ab. Engel sind immer noch erkennbar, allerdings neu interpretiert und fast schon abstrakt. Ein ungewöhnlicher Anblick in einem so alten Gebäude!
Kaum wollen wir uns auf den Weg zur modernen Kunst machen, öffnen sich die Schleusen des Himmels. Während wir warten stöbern wir noch durch den kleinen Klosterladen: zwischen Bier, Magenbitter und dem Stiftslikör finden sich hier auch Glaswaren und Silberschmuck – perfekt für ein Souvenir.
Das ehemalige Trappistenkloster wird es in seiner bisherigen Form bald nicht mehr geben. Im Juni dieses Jahres wurde das Stift von Familie Paminger übernommen, um das Kulturzeugnis zu erhalten. Dazu ist eine Dauerausstellung geplant, die die 730-jährige Geschichte des Zisterzienser- und Trappistenstifts Engelszell präsentiert.
Trocken kommen wir schließlich im Schütz Art Museum an, wo uns der Gründer Josef Schütz persönlich empfängt. Das Besondere an diesem Museum ist, dass es das erste Null-Energie-Museum weltweit ist. Dies wird durch die Bauweise, eine Wärmepumpe, Photovoltaik und spezielle Fensterscheiben ermöglicht. Ich kann kaum glauben, dass es im Sommer nur 23° Celsius im Museum geben soll, obwohl in allen Ausstellungsräumen riesige Fenster den Blick auf die Donau freigeben. Das Museum besteht aus einer Dauerausstellung des österreichischen Malers Albin Egger-Lienz und dessen Schüler Rudolf Wacker.
Außerdem präsentiert Josef Schütz Werke verschiedener Künstler aus Asien und Afrika. Die Künstler können an einem Programm namens Artist Residence teilnehmen. Während dieser Zeit werden sie von Josef Schütz und seinem Team mit Kost und Logis versorgt und können in Ruhe ihre Kunst gestalten, die anschließend im Museum ausgestellt wird. Zum Abschluss gibt es noch einen Kaffee im Schütz Art Café, das im Moment noch im Stil Wiens gestaltet ist. Josef Schütz teilt uns jedoch mit, dass bereits Pläne zur Umgestaltung bestehen, um das Café mehr mit dem Museum zu verschmelzen. Ein Grund mehr, wiederzukommen.
Direkt gegenüber dem Schütz-Art-Museum befindet sich eine der Anlegestellen für die Querfähren. Wir haben jetzt etwa die Hälfte unserer Fahrradtour abgeschlossen. Insgesamt werden wir heute ca. 30 Kilometer gefahren sein: 15 Kilometer auf der Süd- und 15 Kilometer auf der Nordseite. Die Nordseite, auch „Land der Barbaren“ genannt, lädt auf voller Ebene zum Genießen ein. Nur ein sehr kurzes Stück gegen Ende der Strecke führt an einer Straße entlang, der Rest ist völlig autofrei. Das E-Bike lädt dazu ein, den Blick schweifen zu lassen und die Lichtungen sowie die Donau zu bewundern.
Insgesamt gibt es 18 Anlegestellen entlang der Donau in Oberösterreich. Die meisten Fahrradfähren fahren während der Hauptsaison zwischen 9:30 und 17:00 Uhr. Eine Überfahrt kostet für Erwachsene 2,50 Euro und für Erwachsene mit Fahrrad 3 Euro. Ab zwei Übernachtungen in ausgewählten Hotels gibt es mit der DONAU.Erlebnis Card kostenlose oder ermäßigte Fährfahrten.
Nach einer Stärkung im Gasthof Luger schwingen wir uns erneut auf die Räder und legen weitere fünf Kilometer der Donaulimes Welterbe-Route zurück, bis wir beim Zillenbauer Witti ankommen. Hier werden bereits in der neunten Generation Zillen hergestellt. Das sind Boote mit einem flachen Boden, die beispielsweise auch von der hiesigen Feuerwehr für Wasserrettungen verwendet werden. In der Werkstatt wirken die Zillen riesig, im Hafen erscheinen sie plötzlich in ganz anderen Dimensionen. Beim Zillenbauer Witti, einem der letzten Zillenproduzenten in Oberösterreich, arbeiten sechs Personen, die pro Woche vier bis sechs Boote herstellen. Dafür braucht es eine Menge Holz – hauptsächlich Fichte aus Nordeuropa.
Der Zillenbauer vermietet die Boote auch an Privatpersonen, die damit über die Donau schippern. Leider bleibt das Vergnügen einer Zillenfahrt aus – das Wetter ist zu unbeständig. Schade, denn der Hafen liegt friedlich im Dunst, als würde er auf uns warten. Statt mit der Zille fahren wir also mit einer Fahrradfähre, die uns wenige Meter weiter von Au direkt nach Schlögen zum Riverresort bringt.
Nach dem Regen klart der Himmel auf, die Sonne bringt die Donau zum Glitzern und die Landschaft strahlt in frischen Farben. Die Donaulimes Welterbe-Runde bietet eine abwechslungsreiche Mischung aus Natur, Geschichte und Kunst – perfekt für eine entspannte Tagestour mit dem E-Bike. Die gut ausgeschilderte Strecke führt zu beeindruckenden römischen Ausgrabungen, historischen Klöstern und modernen Museen, eingebettet in eine eindrucksvolle Donaulandschaft. Ein lohnenswerter Ausflug, der Kultur und Bewegung verbindet.